Ungebraucht oder gebraucht?
Der Wert der Briefmarke verändert sich
Immer wieder werden wir Briefmarkensammler gefragt, ob die ungebrauchten Briefmarken seltener seien als die Gebrauchten und ob man ungebrauchte oder gebrauchte Briefmarken sammeln sollte.
Der Wert der Briefmarken entsteht, genau wie der aller anderen Waren, nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage.
Sind von einer Sorte Briefmarken, ganz gleich, ob es sich um ungebrauchte oder gebrauchte Stücke handelt, sehr viele vorhanden und kann man diese mit Leichtigkeit überall bekommen, dann tritt die Nachfrage kaum in Erscheinung. Der Wert der Briefmarke bleibt gering. Auch für eine spätere Preissteigerung besteht keine Aussicht.
Existieren indessen von einer Briefmarke, die z.B. in kleiner Auflage erschienen ist, nur wenige Stücke und wird das betreffende Land von einer großen Sammlergemeinde bevorzugt, so richtet sich eine starke Nachfrage auf diese wenigen vorhandenen Stücke. Sie werden wertvoll.
Das kann man durch einige Beispiele leicht erläutern:
Der für das normale Briefporto nötige Wert von 20 Pf der deutschen Dauerserie wird in Millionen von Exemplaren gebraucht und findet sich in Riesenmengen in der Korrespondenz. Die Briefmarke ist daher gebraucht so gut wie wertlos. Der Preis ist nur das Entgelt für die für die Aufarbeitung der Briefmarken nötige Arbeit, d.h. das Ablösen und Sortieren. Hinzu kommt die Verdienstspanne des Händlers. Es ist nie damit zu rechnen, dass solche Briefmarken, die in allen Staaten, nur in anderer Währung, gedruckt werden, einmal im Werte steigen.
Kaufen wir diese Briefmarke ungebraucht bei der Post, so haben wir 20 Pf zu zahlen. Mindestens diesen Preis werden wir immer beim Verkauf an einen Briefmarkenhändler wieder erlösen; denn noch nie ist der Wert einer ungebrauchten deutschen Briefmarke unter den Postpreis gefallen, abgesehen allerdings von den Ausgaben der Inflations- und Reichsmarkzeit. Das gleiche gilt für die ungebrauchten Briefmarken der meisten anderen Länder.
Ein anderes Beispiel: Nehmen wir an, Frankreich habe das Briefporto von 0,30 Fr. auf 0,40 Fr. erhöht, so dass die früheren Briefmarken zu 0,30 nicht mehr benötigt werden. Die Zeit für die Herstellung der neuen 0,40-Marke ist zu kurz. Man hilft sich, indem man die alten Briefmarken zu 0,30 mit einem Aufdruck 0,40 versieht. Am Tage der Ausgabe der endgültigen neuen 0,40-Marke werden nun die Provisorien 0,40 auf 0,30 vom Schalter zurückgezogen.
Sie haben eine kurze Kursdauer gehabt und sind nun in relativ wenigen ungebrauchten Exemplaren erhalten geblieben, zumal wenn Briefmarkensammler und Händler zu spät von diesem Vorgang erfahren haben. Die Folge ist ein Preisanstieg, da keine nennenswerten Bestände ungebraucht in die Hände von Philatelisten gelangten und die größere Anzahl sich gestempelt in der Korrespondenz findet. In diesem Falle sind die ungebrauchten Briefmarken seltener und daher teurer als die gebrauchten.
Noch ein Beispiel: Als die alten deutschen Staaten 1871 im Deutschen Reich aufgingen, verloren sie auch das Recht, Briefmarken herauszugeben. Es wurden die neuen einheitlichen Marken für das gesamte Reichsgebiet eingeführt. Die Restbestände ungebrauchter Briefmarken wurden vielfach unter Preis ("um damit zu räumen") an den Briefmarkenhandel verkauft. Viele dieser Ausgaben sind auch heute noch billig, im Gegensatz zu den gebrauchten Stücken, die infolge der oft kurzen Kursdauer nur in wenigen Exemplaren erhalten geblieben sind.
Veränderung des Sammelverhaltens im Laufe der Zeit
Bis zum Jahre 1914 etwa sammelte man fast nur gebrauchte Briefmarken. Die ungebrauchten wurden kaum beachtet. Sie sind heute selten und werden bedeutend höher bewertet als gebrauchte Stücke dieser Zeit.
An diesen Beispielen sieht man, dass man nicht ohne weiteres sagen kann, eine ungebrauchte Briefmarke sei wertvoller als eine gebrauchte oder umgekehrt.
Im Allgemeinen ist wohl eine Sammlung mit ungebrauchten Briefmarken wertvoller als die gleiche Sammlung mit gebrauchten Stücken. Das ist leicht einzusehen, enthält doch die erstgenannte Sammlung viele Werte, die zu hohem Postpreis erworben worden sind, während sich die zweite Sammlung aus den billigen, gestempelten Briefmarken zusammensetzt, von denen man oft manches Stück in der Korrespondenz gefunden hat.
Heute sammelt man vorwiegend ungebrauchte Briefmarken, die ohne große Mühe erworben werden können.
Man beginnt ja das Briefmarkensammeln in der Regel mit dem Erwerb der Neuheiten, und diese werden stets ungebraucht gesammelt. Wollte man sie gebraucht beziehen, so müsste man zunächst warten, bis sie gestempelt in der Korrespondenz auftreten. Das ist ein großes Risiko, da zahlreiche Sondermarken nicht in dem Maße zur Frankatur benutzt werden wie etwa die Briefmarken der sogenannten Dauerserien.
Wollte man etwa diese Briefmarken der Dauerserien extra abstempeln lassen, um sie gebraucht zu sammeln, dann liefe man Gefahr, den Wert zu mindern, denn in der Regel finden sich diese gewöhnlichen Briefmarken in Millionen von Exemplaren als Porto verwandt auf Postkarten, Briefen und Päckchen. Sie werden von den Sammlern abgelöst oder sind für wenige Cent beim Händler zu haben.
Am Erscheinungstag weiß man außerdem nie, welche Briefmarken in geringen Auflagen gedruckt worden sind und vielleicht gebraucht den Wert des ungebrauchten Stückes behalten werden.
Es ginge über den Rahmen dieser kleinen Schrift hinaus, hier ausführlich das Für und Wider einer Sammlung ungebrauchter oder gebrauchter Briefmarken zu erörtern.
Als Faustregel mag gelten, dass man die Briefmarken so sammeln soll, wie man sie am leichtesten erhält.
Man sollte jedoch eine Serie entweder immer nur ungebraucht oder nur gebraucht, also niemals "gemischt" ins Album bringen.
Neuheiten bezieht man aus den oben genannten Gründen nur ungebraucht, da eine zuverlässige und prompte Lieferung gebrauchter Briefmarken sofort nach Erscheinen unmöglich ist. Die alten Ausgaben bis zum Jahre 1914 etwa sammle man gebraucht. Sie sind ungebraucht sehr teuer und schwer zu beschaffen.
Zum Schluss noch die Zeichen, die allen Philatelisten bekannt sind: * bedeutet ungebraucht, ¤ gebraucht.